Sie hat sich in die Herzen hunderter Eltern mit schwerkranken Kindern im "Olgäle" genäht, gestrickt und gehäkelt. Wie es dazu kam und warum ihr dieses ehrenamtliche Engagement so viel bedeutet, darüber spricht die Erstplatzierte Stuttgarterin des Jahres 2024 hier im Interview.

Interview mit Sarah Felk
Trösterin, Glücksmomente-Bringerin und Stuttgarterin des Jahres 2024
Frau Felk, Sie sind auf der Kinderintensiv- und - Kardiologiestation des Stuttgarter "Olgäle" so etwas wie die gute Fee. Das hat Ihnen jetzt sogar den Ehrenamtspreis Stuttgarterin des Jahres eingebracht. Was macht das mit Ihnen und wie sehen Sie sich selbst?
Ich bin kein Mensch, der gerne in der Öffentlichkeit steht. Für mich ist das jetzt eher befremdlich, als Person plötzlich so viel Aufmerksamkeit zu bekommen. Andererseits habe ich dadurch die Möglichkeit, meine Herzensthemen Krankheit, Trauer und Tod in den Fokus zu rücken. Und das finde ich richtig cool. Ehrlich gesagt habe ich der Nominierung für den Preis auch nur deshalb zugestimmt. Denn diese Themen gehören einfach zum Leben, sie sind ein Teil davon.
Ihr Sohn Caleb ist jetzt seit über einem Jahr tot. Wie haben Sie die Zeit seitdem erlebt?
Dieses letzte Jahr war das schwerste und dunkelste meines Lebens. Da waren noch so viele Träume, so viele Zukunftspläne, die mit Caleb gestorben sind. Dieser kleine, freundliche und witzige Mensch hat mit seiner sanften Art so viel Freude und Spaß in unser Leben gebracht und uns bleiben nur dreieinhalb Jahre Erinnerung. Aber ich bin dankbar für die Zeit, die wir hatten, und für alle, die uns in der großen dunklen Leere, die allzu oft da war, nicht allein gelassen haben. Die mit uns getrauert, den Schmerz geteilt, sich erinnert, unsere Wut ausgehalten, manchmal auch einfach mit uns geschwiegen haben oder uns entscheiden ließen, wonach es uns gerade war. Am Ende haben wir alle gelernt anders mit Krankheit, Trauer und Tod umzugehen. Und das ist ein großes Geschenk, das Caleb uns gemacht hat.
Vieles von dem, was die Familien jetzt im „Olgäle“ durchmachen, kennen Sie aus eigener Erfahrung. Was können Sie ihnen und den Angehörigen mit auf den Weg geben?
Es ist tatsächlich schwierig, hier Ratschläge zu geben, weil jeder seine eigene Art hat, mit den Dingen umzugehen. Was ich auf alle Fälle wichtig finde, ist: hinschauen. Man ist im Krankenhaus so etwas wie eine Leidensgemeinschaft. Ein aufmunterndes Lächeln, zuhören, Gefühle teilen, füreinander da sein – all das hilft, die Zeit erträglicher zu machen. Und Routine. Unsere Freunde und Familie haben Caleb regelmäßig besucht, ihm vorgelesen, mit ihm gespielt, seine Lieblingscookies für ihn gebacken und uns Zeit gegeben, auch mal gemeinsam draußen kurz durchatmen zu können. Man ist als Eltern einfach fix und fertig. Deshalb, liebe Angehörige und Freunde, leistet "aktiven Beistand", das ist ganz, ganz wichtig. Seid da und macht einfach.
Kommen Sie denn mit den Eltern der Kinder, die ihre selbstgemachten Ballonhüllen, Rasseln oder Bodys bekommen, in Kontakt oder wissen Sie gar nicht, wer am Ende was bekommt?
Ich bin erst einmal nur die Produzentin. Alexandra Thomas, die mich für den Ehrenamtspreis „Stuttgarter:in des Jahres“ vorgeschlagen hat, verteilt die ganzen Sachen. Je nach Bedarf. Da hat sie ein sehr feines Gespür, was für wen passt. Ich bekomme davon meistens nichts mit. Manchmal erzählt sie aber die ein oder andere Geschichte. Und ab und an schreiben mir Eltern über Instagram oder schicken ein Bild, auf dem das Kind mit einer Ballonhülle von mir spielt. Diese Rückmeldungen zu bekommen ist so, so schön. Und die Sachen werden auch alle mit nach Hause genommen.
Woher holen Sie sich die Inspiration für all die schönen Spielsachen und die hübschen Bodys und Pumphosen?
Die kommt von den Stoffen bzw. den Drucken und der Wolle. Für mich muss es spannend, lustig und kindgerecht sein, was ich produziere. Und es soll nicht nur gut aussehen, sondern sich auch so anfühlen. Fürs Krankenhaus braucht es zudem noch eine gewisse Funktionalität. Die Wickelbodys beispielsweise sind mit den Druckknöpfen an der Seite schnell geöffnet und dann ist Platz für die diversen Kabel und Schläuche. Da bin ich auch permanent am Tüfteln. Für mich bringen all diese Dinge ein Stück Normalität und Würde in den Klinikalltag. Sie sind wie ein Anker, eine Verbindung nach draußen und man fühlt sich nicht ganz so allein und verlassen. Außerdem sieht das Kind in "normalen" Klamotten gleich weniger krank aus.
Gibt es denn etwas, das besonders nachgefragt ist? Und welches sind eigentlich Ihre liebsten Stücke aus Ihrer Kollektion?
Die Nachfrage hängt immer davon ab, welche Kinder mit welchem Bedarf gerade auf den Stationen sind. Das variiert sehr stark. Letztlich mache ich das, was gebraucht wird. Ein schöner, süßer, hochwertiger Stoff, das ist mir wirklich das Liebste. Und dazu ein lustiger Druck, auf dem es viel zu entdecken gibt. Ein "Wimmelstoff" sozusagen. Da freue ich mich immer richtig, wenn ich so etwas verarbeiten darf. Egal zu was. Denn dann gibt es für das Kind viel zu schauen, zu entdecken und es kann seine Fantasie entfalten.
Wie geht es weiter? Was haben Sie sich für die Zukunft vorgenommen?
Im Moment gibt es in unserem Leben ein 6 Monate altes Baby, da ist das Nähen tagsüber ein wenig eingeschränkt. Deshalb nutze ich den Abend und die Zeit, wenn mein Mann zuhause ist. Tatsächlich bin ich, was Stoffe und Materialien angeht, komplett auf Spenden angewiesen. Das könnte ich selbst gar nicht leisten. Deshalb habe ich vor ein paar Tagen eine Spendenaktion auf gofundme gestartet, um die nächsten Produktionen zu finanzieren. Außerdem hat sich über den Artikel in der Stuttgarter Zeitung ein Stoffspender gemeldet, was mich wirklich sehr gefreut hat.
Danke für dieses inspirierende Gespräch, in dem Sie uns ein schweres Thema mit einer liebevollen Leichtigkeit nahegebracht haben. Schön, dass wir einen solchen Herzmenschen wie Sie kennenlernen durften.
Steckbrief Sarah Felk
Im Januar 2024 stirbt ihr Sohn Caleb. Mit gerade einmal dreieinhalb Jahren. Die vielen oft wochenlangen Krankenhausaufenthalte mit dem herzkranken Kind verändern die 30-jährige Schorndorferin und sind der Auslöser für ihr ehrenamtliches Engagement im "Olgäle". Die Nachfrage nach ihren Spielsachen und Outfits ist mittlerweile so groß, dass Sarah Felk alle zwei Monate eine große Kiste in die Klinik bringt. Nähen hat sie im Übrigen erst 2021 richtig gelernt. Von einer Bekannten, mit YouTube-Videos und durch Ausprobieren. Was sich daraus entwickelt hat, ist einfach unglaublich. Und die gut 20 Stunden pro Woche an der Nähmaschine investiert sie gerne. Denn der Trostspender, der Caleb war, lebt so in ihrem Projekt weiter.